Aus dem Jahresabschluss des eigenen Unternehmens oder auch anderer Unternehmen lässt sich eine Vielzahl an Informationen gewinnen. Neben den Bilanzkennzahlen, den Kennzahlen der Rentabilität, den Umschlagskennzahlen und der Cashflow-Analyse ist eine strukturelle Analyse der Erfolgs- und Kostenstruktur eine weitere Möglichkeit, den betriebswirtschaftlichen Zustand des eigenen oder auch anderer Unternehmen zu beschreiben.
Die Analyse der Erfolgs- und Kostenstruktur geht dabei auf die Gewinn- und Verlustrechnung näher ein. Für das eigene Unternehmen können hierfür die genauen Daten aus der Buchhaltung und der Kosten- und Leistungsrechnung (Controlling) herangezogen werden, während die Analyse einer Gewinn- und Verlustrechnung eines konkurrierenden Unternehmens unter bestimmten Annahmen stattfindet.
Das Betriebsergebnis – Verrechnung der neutralen Erträge und Aufwendungen
Letzteres ist der Fall, weil für die Erfolgs- und Kostenstruktur das Betriebsergebnis herangezogen wird. Beim Betriebsergebnis werden neutrale Erträge und neutrale Aufwendungen aus dem Jahresüberschuss (buchhalterischer Gewinn) herausgerechnet. Die neutralen Erträge werden abgezogen und die neutralen Aufwendungen hinzuaddiert. Aus dem Jahresüberschuss werden dann ein Betriebsgewinn und ein neutraler Gewinn getrennt ausgewiesen. Das ist das gleiche Vorgehen wie bei der Kosten- und Leistungsrechnung, wenn vom buchhalterischen Rechnungskreis zum kalkulatorischen Rechnungskreis gewechselt wird.
Auf Seite der Erträge werden dafür alle Erträge, die keine Umsatzerlöse oder Bestandserhöhungen sind, wieder herausgerechnet. Das betrifft vor allen sonstige und außerordentliche Erträge sowie Zinserträge. Auf Seiten der Aufwendungen betrifft das vor allem die außerordentlichen Aufwendungen und die Ertragsteuern (beispielsweise die Körperschaftsteuer). Es verbleibt der Betriebsgewinn. Die neutralen Erträge abzüglich der neutralen Aufwendungen ergeben den neutralen Gewinn.
Die Erfolgsstrukturanalyse
Das Verhältnis von Betriebsgewinn und neutralem Gewinn zeigt dann die Erfolgsstruktur des Unternehmens. Ist der Betriebsgewinn der deutlich höhere Anteil am Gesamtgewinn, hat das Unternehmen seinen Gewinn aus seiner eigentlichen betrieblichen Tätigkeit geschöpft. Vor allem im Vergleich zu anderen Unternehmen oder im Vergleich über die Zeit kann mit der Erfolgsstrukturanalyse der Erfolg oder Misserfolg der eigentlichen betrieblichen Tätigkeit aufgezeigt werden.
Stellt ein Unternehmen mehrere Produkte her, zu denen jeweils eigenen Umsatzerlöse ausgewiesen werden, zeigt die Erfolgsstrukturanalyse den Erfolg der einzelnen Produktionen auf. Im Vergleich über die Zeit ist beispielsweise eine interessante Frage, ob die unterschiedlichen Produktionen auch unterschiedlich auf Konjunkturverläufe reagieren.
Die Kostenstrukturanalyse
Bei der Kostenstrukturanalyse werden die betrieblichen Aufwendungen näher unter die Lupe genommen. Dafür werden die Aufwendungen in die wichtigsten Kostengruppen zusammengefasst: Materialkosten, Personalkosten, Abschreibungen, Zinsen, Betriebssteuern und sonstige betriebliche Aufwendungen. Als jeweiliger Anteil an den Gesamtkosten kann somit die Kostenartenintensität der einzelnen Kostengruppen aufgezeigt werden. Nehmen beispielsweise die Materialkosten besonders viel an den Gesamtkosten ein, erfolgt die Produktion materialintensiv. Sind die Personalkosten anteilig besonders groß, handelt es sich um eine arbeitsintensive Produktion.
Aus der Kostenstruktur lassen sich dann weitergehende Informationen gewinnen. Beispielsweise kann abgeschätzt werden, wie zu erwartende Preisänderungen – bei Rohstoffen oder bei Löhnen und Gehältern – die Gesamtkosten erhöhen. Das gilt auch umgekehrt, wenn aus den Veränderungen der Kosten auf mögliche Ursachen zu schließen ist. Hierüber kann zumindest indirekt die Zulieferersituation der konkurrierenden Unternehmen rückverfolgt werden – sind beispielsweise die eigenen Materialkosten stärker gestiegen als die der Konkurrenz bei vorher ähnlicher Kostenstruktur, könnte eine Erklärung bessere Bezugsquellen oder bessere Verträge der Konkurrenz mit Zulieferern sein.
Beim Vergleich über die Zeit ist auch wichtig, wie sich die hinter den Kosten stehenden Größen verändert haben. Beispielsweise bedeutet eine gewachsene Mitarbeiterzahl auch mehr Personalkosten. Eine Investition in neue technische Ausstattung erhöht die Abschreibungen. Die Gesamtkosten können weiterhin ins Verhältnis zum Betriebsgewinn oder dem Umsatz (besser: Gesamtleistung) gesetzt werden.
Die Arbeitsproduktivität
In diesem Zusammenhang ist die Arbeitsproduktivität eine häufig genutzte Kennzahl. Die Arbeitsproduktivität ist meist definiert als Gesamtleistung geteilt durch die Beschäftigtenzahl. Die Gesamtleistung ist der Wert der abverkauften sowie auf Lager produzierten Waren oder Dienstleistungen. Sie beschreibt die bewertete produzierte Menge pro Mitarbeiter. Die Arbeitsproduktivität wird dann über die Zeit oder im Vergleich mit anderen Unternehmen betrachtet.
Eine Erhöhung der Arbeitsproduktivität kann beispielsweise auf Rationalisierungsmaßnahmen oder allgemein auf technische Neuerungen (Neu-Investitionen) zurückzuführen sein. Auch eine bessere Qualifikation der Mitarbeiter, eine bessere Koordination und Delegation (Management) oder eine bessere Arbeitsteilung steigern für gewöhnlich die Arbeitsproduktivität. Weiterhin spricht eine gestiegene Arbeitsproduktivität für gesunkene Stückkosten (pro Arbeitseinheit).
Kritik der Arbeitsproduktivität
Die Arbeitsproduktivität genießt in der betrieblichen Praxis durch ihren Zusammenhang zu den Stückkosten hohen Stellenwert. In Lohnverhandlungen ist eine gestiegene Arbeitsproduktivität für die Gewerkschaften ein wichtiges Argument. Allerdings ist die obige Interpretation der Arbeitsproduktivität mit einer gewissen Vorsicht zu genießen.
So müsste die Arbeitsproduktivität korrekterweise nicht mit dem Wert der Produktion (Gesamtleistung) durch die Mitarbeiterzahl berechnet werden, sondern mit der produzierten Menge durch die Zahl (effektiver) Arbeitsstunden. So ist rechnerisch eine inflationsbedingte Produktivitätssteigerung ausgeschlossen und unterschiedliche Arbeitsmodelle werden einbezogen.
Der Ursprung des Produktivitätsgedankens kommt aus der volkswirtschaftlichen Theorie, bei der der Output (die produzierte Menge) ins Verhältnis zu einem Produktionsfaktor (beispielsweise Arbeitsstunden) gesetzt wird. Neben der Arbeitsproduktivität gibt es somit noch andere Produktivitäten sowie eine Gesamtproduktivität. Diese Größen berücksichtigen nicht ausreichend gegenseitige Abhängigkeiten, beispielsweise die mögliche Substituierbarkeit zwischen Sachkapital (Maschinen, IT, technische Anlagen, Computerprogramme) und Tätigkeitsfeldern von Arbeitskräften.
Das bedeutet konkret, dass die Arbeitsproduktivität beispielsweise durch Rationalisierungsmaßnahmen und Automatisation automatisch ansteigt. Auch sinkende Mitarbeiterzahlen erhöhen – zumindest kurzfristig – die Arbeitsproduktivität. Ob diese Maßnahmen wirklich wirtschaftlich sinnvoll sind, spiegelt sich in der Zahl der Arbeitsproduktivität nicht wider. Selbst wenn eine maximal mögliche Arbeitsproduktivität erreicht wird, bedeutet das noch nicht, dass die damit einhergehende Produktion oder Mitarbeiterzahl auch gewinnmaximal ist. Zudem ändert sich diese maximal mögliche Produktivität mit der Zeit.
Fazit
Die Bilanz- und Gewinn- und Verlust-Analyse beinhaltet eine Reihe von Rechnungen und Kennzahlen, die ein umfassendes Bild von der betriebswirtschaftlichen Situation eines Unternehmens zeichnen. Die Analyse der Erfolgs- und Kostenstruktur bietet dabei einen tieferen Einblick in die Entwicklung der betriebsüblichen Leistung und die damit einhergehenden Gewinne sowie der Entwicklung der betriebsüblichen Kosten.
Im Vergleich über die Zeit und mit anderen Unternehmen beziehungsweise der Branche können Rückschlüsse über den Unternehmenserfolg und der Kostenentwicklung gezogen werden. Auch die Arbeitsproduktivität ist eine Kennzahl in diesem Zusammenhang, die auf einfache Weise die wirtschaftliche Leistung in Bezug auf die Mitarbeiter darstellt. Wie auch andere Kennzahlen ist die Analyse der Erfolgs- und Kostenstruktur ein Element der Unternehmenssteuerung, die ihren Ursprung in den Zahlen der Buchhaltung hat.
Redaktion
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